Am 8. Oktober hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgestellt, der den Zugang zu medizinischem Cannabis deutlich verändern könnte. Viele Patient:innen sind besorgt, dass es künftig schwieriger wird, ihre Medikamente zu erhalten. In diesem Artikel erklären wir Ihnen, was genau geplant ist und welche Änderungen auf Sie zukommen könnten, falls der Bundestag dem Entwurf zustimmt.
So funktioniert der Zugang zu medizinischem Cannabis heute
Cannabis ist in Deutschland seit 2017 als Medikament verfügbar. Damals galt es noch als Betäubungsmittel.1 Seit April 2024 können Ärzt:innen medizinisches Cannabis ganz normal verschreiben – mit einem gewöhnlichen Rezept, das Sie in jeder Apotheke einlösen können. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt entscheidet dabei individuell, ob Cannabis für Sie geeignet ist. Eine medizinische Begründung ist notwendig; eine bestimmte Diagnose jedoch nicht.2
Welche Gesetzesänderungen die Bundesregierung für medizinisches Cannabis vorschlägt
Die gute Nachricht vorweg: An den grundsätzlichen Voraussetzungen ändert sich nichts. Medizinisches Cannabis soll weiterhin für verschiedene Beschwerden verfügbar bleiben und wird nicht wieder als Betäubungsmittel eingestuft. Die geplanten Änderungen betreffen vor allem die Wege, über die Sie Ihr Cannabis verschrieben bekommen und anschließend erhalten. Im Zentrum des Entwurfs stehen zwei wesentliche Punkte.
- Ärztinnen und Ärzte sollen die Erstverordnung von medizinischem Cannabis nur noch dann erteilen dürfen, wenn sie Patient:innen direkt untersucht haben – also in ihrer Praxis oder bei einem Hausbesuch. Videosprechstunden würden folglich nicht mehr ausreichen. Folgerezepte können weiterhin digital erteilt werden, allerdings nur in Verbindung mit quartalsweise stattfindenden Präsenzterminen.3
Medizinisches Cannabis darf nicht mehr über herkömmliche Paketdienste an Patient:innen versandt werden. Stattdessen müssen diese ihr Medikament in der Apotheke abholen. Davon ausgenommen sind apothekeneigene Lieferdienste.3
Von diesen Änderungen erhofft sich die Regierung nach eigenen Angaben eine erhöhte Patientensicherheit und einen engeren Kontakt mit medizinischem Fachpersonal. Zudem stellt sie das Onlineangebot grundsätzlich in Frage.3
Warum will die Bundesregierung die Regeln verschärfen?
Die Bundesregierung begründet den Gesetzentwurf mit ungleich gestiegenen Zahlen: Während die gesetzlichen Krankenkassen 2024 nur 9 Prozent mehr Cannabis-Verschreibungen übernahmen, stieg das Importvolumen vom ersten aufs zweite Halbjahr um 170 Prozent. Daran lässt sich erkennen, dass immer mehr Menschen ihre Cannabistherapie auf eigene Kosten finanzieren. Die Bundesregierung sieht darin ein Problem.3
Nun könnte man annehmen, dass die hohe Nachfrage nach medizinischem Cannabis unterschätzt wurde und Krankenkassen Cannabistherapien nicht ausreichend unterstützen. Stattdessen schließt die Bundesregierung aus dem hohen Anteil an Selbstzahlern eine missbräuchliche Verwendung des medizinischen Zugangs. Statistische Beweise dafür gibt es nicht. Ohnehin erscheinen die Gründe für den Gesetzentwurf wenig fundiert.
Besonders im Fokus der Kritik stehen telemedizinische Angebote. Die Bundesregierung legt jedoch keine konkreten Zahlen vor, die auf gesundheitliche Schäden durch digital verordnete Rezepte hinweisen.3 Demnach steht die haltlose Behauptung im Raum, Ärztinnen und Ärzte, die Cannabis verschreiben, täten dies leichtfertig und ohne Berücksichtigung ihrer beruflichen Verantwortung.
Jugendschutz als Vorwand
Um den Gesetzentwurf argumentativ zu unterfüttern, verweist die Bundesregierung auf ein erhöhtes Risiko beim Cannabiskonsum von Menschen unter 25.[3] Tatsächlich kann die erhöhte Einnahme von Cannabis in jungen Jahren die Hirnentwicklung negativ beeinflussen.4
Allerdings liegt es im Ermessen von Ärzt:innen, dieses Risiko im Einzelfall zu bewerten. Daran würde auch der Gesetzentwurf nichts ändern. Die Absicht, einen verbesserten Jugendschutz zu gewährleisten, steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Änderungsvorschlägen.
Rückschritte in der gesundheitlichen Versorgung
Durch das Versandverbot und die Einschränkung von medizinischen Online-Angeboten geschieht der politische Vorstoß der Bundesregierung vor allem zu Lasten der Patient:innen – und das ausgerechnet in einer Zeit, in der digitale Gesundheitsangebote eigentlich ausgebaut werden sollen.
Worauf der Gesetzentwurf nicht eingeht, ist der Umstand, dass viele herkömmliche (und ohnehin schon überlastete) Hausarztpraxen nicht auf den Umgang mit Cannabis spezialisiert sind. Entsprechende Online-Angebote sorgen hingegen dafür, dass Patient:innen schnellen Zugang zu einschlägiger Beratung erhalten.
Sollte es zu verpflichtenden Praxisbesuchen kommen, beträfe dies besonders Patient:innen, die weit entfernt leben oder mobil eingeschränkt sind. Gerade für diese Patientengruppen sind digitale Sprechstunden oft die einzige realistische Möglichkeit, zeitnah mit einer Behandlung zu beginnen. Der Gesetzentwurf schafft hier neue Hürden, statt bestehende abzubauen.
Die Gefahren verschärfter Cannabisgesetze
Sollte es tatsächlich zu einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs kommen, könnten viele Patient:innen aufgrund der erschwerten Bedingungen über andere Bezugsquellen nachdenken. Dadurch drohen Sicherheitsrisiken, Qualitätsbedenken und die Gefahren einer unbeaufsichtigten Selbstmedikation.
Ebenfalls wäre es denkbar, dass sich die Häufigkeit der ärztlichen Beratung aufgrund des damit verbundenen Aufwands reduziert. Stattdessen könnten Patient:innen pro Arztbesuch größere Mengen beziehen wollen. Das Ergebnis wäre ein verringerter Kontakt von Arzt und Patient – also das genaue Gegenteil der angestrebten Ziele.
Spezialisierte Beratung ist für die Cannabistherapie unerlässlich
Um das medizinische Potenzial von Cannabis umfassend abzurufen, bedarf es einer professionellen, ärztlichen Begleitung. Die mit nowomed kooperierenden Ärzt:innen sind auf den Umgang mit Cannabis spezialisiert. Sie unterstützen Sie bei allen Fragen – von der richtigen Dosierung über die Anwendung bis zur sachgerechten Lagerung.
Nach gegenwärtiger Gesetzeslage kann die Behandlung flexibel als Videosprechstunde oder persönlicher Termin in der Praxis erfolgen. Das Fachpersonal richtet sich nach Ihren Bedürfnissen und Ihrer Lebenssituation.
Nach der kostenlosen Registrierung bei nowomed füllen Sie einen medizinischen Fragebogen aus. Die Ärzt:innen prüfen dann, ob medizinisches Cannabis für die Behandlung Ihrer Beschwerden geeignet ist. Wenn dies der Fall ist, bekommen Sie einen Beratungstermin, in dem alle wichtigen Fragen zur Therapie besprochen werden. Danach erhalten Sie – bei medizinischer Eignung – Ihr erstes Rezept.
Wann wird das schärfere Gesetz für Cannabis verabschiedet?
Ob es überhaupt zu einer Verschärfung der Gesetzeslage kommt, ist noch ungewiss. Der Entwurf muss zunächst beraten und anschließend einer Abstimmung im Bundestag unterzogen werden.
Da jedoch innerhalb der Regierungskoalition Widerstände seitens der SPD laut werden, steht die erforderliche Mehrheit in Frage.5
Auch verschiedene cannabisnahe Verbände üben Kritik an dem Vorhaben.6 Ergebnisse, ob für oder gegen den Entwurf, sind wohl erst 2026 zu erwarten.
Fazit
Der neue Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt keine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen Rechtslage dar, bringt aber spürbare Einschränkungen für Patient:innen mit sich.
Zwar bleibt Cannabis weiterhin als Medikament zugelassen, doch das geplante Verbot von Erstverordnungen per Videosprechstunde und die Abschaffung des Versandhandels erschweren den Zugang erheblich – insbesondere für mobil eingeschränkte oder ländlich lebende Menschen.
Die Begründung der Regierung, vor allem in Bezug auf vermeintlichen Missbrauch und Jugendschutz, wirkt dabei wenig stichhaltig und datenarm. Kritiker:innen sehen in den Änderungen einen Rückschritt für die digitale und patientenorientierte Gesundheitsversorgung, der den eigentlichen Zielen – mehr Sicherheit und ärztliche Kontrolle – zuwiderläuft.
Ob der Entwurf tatsächlich in ein neues Gesetz übergeht, wird sich jedoch erst nächstes Jahr zeigen.
Häufig gestellte Fragen
Künftig sollen Erstverordnungen von medizinischem Cannabis nur noch nach einer persönlichen Untersuchung in der Praxis oder bei einem Hausbesuch möglich sein – Videosprechstunden wären dafür nicht mehr erlaubt. Außerdem soll der Versand über Paketdienste verboten werden, Patient:innen müssten ihr Medikament in der Apotheke abholen.
Die Regierung begründet die Änderungen mit einem starken Anstieg privat finanzierter Cannabistherapien und vermutet eine missbräuchliche Nutzung des medizinischen Zugangs. Belege für Fehlverschreibungen oder gesundheitliche Schäden liegen jedoch nicht vor.
Kritiker:innen warnen, dass die neuen Regeln den Zugang zu medizinischem Cannabis erschweren – besonders für mobil eingeschränkte oder ländlich lebende Patient:innen. Zudem widersprechen sie dem politischen Ziel, digitale Gesundheitsangebote auszubauen.
Der Entwurf muss noch im Bundestag beraten und abgestimmt werden. Aufgrund interner Differenzen innerhalb der Regierungskoalition ist unklar, ob er eine Mehrheit findet. Mit einer Entscheidung ist frühestens im Jahr 2026 zu rechnen.
Referenzen
- Müller-Vahl, K. & Grotenhermen, F. (2017). Medizinisches Cannabis. Die wichtigsten Änderungen. Deutsches Ärzteblatt, 114(8), 352-356.
https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=186476
- Deutscher Bundestag (2024). Nach langem Ringen: Bundestag verabschiedet Cannabis-Legalisierung.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-de-cannabis-990684
- Bundesministerium für Gesundheit (2025). Gesetz zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/aenderung-medizinal-cannabisgesetzes.html
- Gaida, L. (2024). Hirnforscher: Wieso Cannabis erst ab 25 Jahren legal sein sollte. Utopia.
https://utopia.de/news/hirnforscher-wieso-cannabis-erst-ab-25-jahren-legal-sein-sollte_644521/
- Heim, M. (2025). Schärfere Regeln für Cannabis-Rezepte: „Nicht zustimmungsfähig“. BR 24.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/schaerfere-regeln-fuer-cannabis-rezepte-nicht-zustimmungsfaehig,UzaZy7p
- Telgheder, M. & Rybicki, B. (2025). Bundesregierung plant Versand-Verbot von medizinischem Cannabis. Handelsblatt.
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/cannabis-bundesregierung-plant-versand-verbot-von-medizinischem-cannabis-01/100160282.html