Im Alltagsgespräch, aber auch in vermeintlich wohlinformierten Debatten fällt hingegen häufig auf, dass viele der zum Ausdruck gebrachten Meinungen auf veralteten Vorstellungen, Bauchgefühl und unsicheren Halbwahrheiten basieren. Um gar nicht lange recherchieren zu müssen, soll Ihnen dieser Beitrag als Handreichung dienen, um zeitsparend einige der wichtigsten Wissenspunkte über medizinisches Cannabis zu versammeln.
Cannabis – Zwischen Kulturpflanze und medizinischem Wirkstoff
Genau genommen handelt es sich bei Cannabis um den lateinischen Namen der Pflanzengattung Hanf. Im öffentlichen Diskurs bezeichnet Cannabis hingegen meist bedeutungsverengend die Blüten der weiblichen Hanfpflanze. Diese werden auch Marihuana genannt. Ebendiese Blüten sind der Träger von medizinisch relevanten Wirkstoffen – auch Cannabinoide genannt. Die beiden wichtigsten Wirkstoffe in Cannabisblüten heißen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Männliche oder nicht-blühende weibliche Hanfpflanzen verfügen über keine, beziehungsweise nur sehr geringe Mengen an THC und CBD.[1]

Hanf wurde bereits in der Jungsteinzeit kultiviert und aufgrund seiner widerstandsfähigen Pflanzenfasern als Rohstoff genutzt, während seine Samen zum Teil als Nahrungsmittel und Öllieferant Verwendung fanden. Doch auch der medizinische Nutzen der Cannabisblüten war vielen Kulturen, von der Steinzeit bis in die Neuzeit, bereits bekannt und wurde vielfältig zur Behandlung verschiedener Symptome eingesetzt.[2]
Medizinische Potenziale von Cannabis
Die medizinische Wirkung von Cannabis beruht auf dem Zusammenspiel seiner Inhaltsstoffe. Dabei sind zuvorderst Cannabinoide zu nennen. Cannabinoide interagieren mit dem sogenannten Endocannabinoid-System des menschlichen Körpers – einem komplexen Netzwerk, das mitunter an der Regulierung von Prozessen wie Schlaf, Appetit, Stimmung und Schmerzempfinden beteiligt ist.[3]
In der modernen Medizin wird Cannabis zunehmend als mögliche therapeutische Option berücksichtigt.[4] Es wird prinzipiell mit ärztlicher Verordnung eingesetzt, wobei Dosierung und Anwendungsform individuell auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abgestimmt werden. Im Zuge einer Cannabistherapie kommen getrocknete Cannabisblüten, Extrakte oder Fertigarzneimittel zur Anwendung, die unter pharmazeutischen Qualitätsauflagen erzeugt wurden.[5]
Neben Cannabinoiden enthalten Cannabisblüten noch weitere Pflanzenstoffe, darunter Terpene und Flavonoide. Terpene sind unter anderem für das charakteristische Aroma verantwortlich und kommen auch in vielen anderen Pflanzen wie Lavendel oder Zitrusfrüchten vor.[6] Flavonoide hingegen tragen zur Farbgebung bei und sind als sekundäre Pflanzenstoffe ebenfalls Bestandteil zahlreicher Obst- und Gemüsesorten.[7] In der aktuellen Forschung wird zunehmend untersucht, wie diese Stoffgruppen gemeinsam mit Cannabinoiden das Gesamtprofil von Cannabis beeinflussen.[8]
Medizinische Darreichungsformen
Auch wenn die öffentliche Debatte es häufig nahelegt: Medizinisches Cannabis wird nicht geraucht. Stattdessen kommen folgende Darreichungsformen zum Einsatz:
Inhalation mittels Vaporisator
Die Wirkstoffe werden in Dampf übersetzt und anschließend inhaliert.
Da die Blüten nicht verbrannt werden, entstehen keine Schadstoffe.
Der Großteil der Inhaltsstoffe bleibt beim Vaporisieren erhalten [9].
Sublinguale Einnahme
Verwendung von Cannabisölen, die unter die Zunge getropft werden.
Orale Einnahme
Anwendung von Fertigarzneimitteln in Kapselform oder als Lösung.

Zugang zu medizinischem Cannabis
Medizinisches Cannabis ist in Deutschland in Apotheken erhältlich. Insbesondere spezialisierte Versandapotheken können einen schnellen Zugang zu einschlägigen Präparaten herstellen.
Für den Kauf von medizinischem Cannabis ist ein herkömmliches, ärztliches Arzneimittelrezept erforderlich.
Alle Ärzt:innen dürfen ein Rezept für Cannabis ausstellen, wenn es nach medizinischer Einschätzung dazu dienen könnte, die bestehenden Beschwerden der Patient:innen zu lindern. Eine spezifische Erkrankung ist nicht erforderlich.
Sicherheitsmaßnahmen bei der Anwendung von medizinischem Cannabis
Die Behandlung mit medizinischem Cannabis beginnt in der Regel mit einer niedrigen Dosierung. Auf diese Weise können Ärzt:in und Patient:in die individuell passende Dosis schrittweise ermitteln.
Ziel dabei ist:
das Risiko potenzieller Nebenwirkungen zu minimieren
die bestmögliche Verträglichkeit sicherzustellen [5]
Generell gilt medizinisches Cannabis bei sachgerechter Anwendung als gut verträglich. Dennoch kann es – wie bei vielen Arzneimitteln – zu unerwünschten Begleiterscheinungen kommen.
Um diese möglichst gering zu halten, ist eine offene Kommunikation zwischen Patient:in und Ärzt:in während der gesamten Behandlungsdauer essenziell.
So kann gemeinsam:
auf Veränderungen reagiert werden
die Medikation bei Bedarf angepasst werden [10]
Bei ordnungsgemäßer Verwendung: Geringes Risiko einer Abhängigkeit
Das Abhängigkeitspotenzial von Cannabis wird häufig diskutiert. Zwar kann Cannabis, ähnlich wie andere verschreibungspflichtige Medikamente, bei unsachgemäßer Anwendung ein gewisses Abhängigkeitspotenzial aufweisen. Im medizinischen Kontext jedoch, bei kontrollierter Dosierung und regelmäßiger ärztlicher Begleitung, ist die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeitsentwicklung laut aktueller Studienlage vergleichsweise gering.[11]
Oft werden in einem Atemzug mit Cannabis Suchtstoffe wie Nikotin oder Alkohol genannt – das ist jedoch irreführend. Die Wahrscheinlichkeit (bei regelmäßiger Einnahme) eine Cannabisabhängigkeit zu entwickeln liegt nach aktuellem Kenntnisstand bei 2 bis 9 Prozent. Das Risiko einer Nikotinabhängigkeit liegt bei 67,5 Prozent, das einer Alkoholabhängigkeit bei 22,7 Prozent. Hinzu kommt, dass etwaige Entzugserscheinungen bei Cannabis eher mild ausfallen und nach spätestens zwei Wochen abklingen.[11]

Kein Medikament für Jugendliche
Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann die häufige Einnahme von Cannabis einen negativen Einfluss auf die Hirnentwicklung haben.
Dies birgt:
ein erhöhtes Risiko für Langzeitschäden
ein gesteigertes Abhängigkeitspotenzial
Mit zunehmendem Alter – bis zur vollständigen Ausbildung des Gehirns (etwa mit 25 Jahren) – nimmt dieses Risiko jedoch ab und entspricht schließlich den oben genannten Zahlen [12].

Medizinisches Cannabis und Konsumcannabis
In Deutschland wird strikt zwischen medizinischem Cannabis und Konsumcannabis unterschieden. Medizinisches Cannabis dient der Medikation im Rahmen einer Cannabistherapie und ist in einschlägigen Apotheken auf Rezept erhältlich.
Es wird gemäß arzneimittelrechtlichen Qualitätsanforderungen auf ein einheitliches und zuverlässig eintretendes Wirkungsprofil hin produziert. Konsumcannabis stammt hingegen aus dem unkontrollierten Eigenanbau beziehungsweise den Erträgen eines eingetragenen Cannabisvereins. Konsumcannabis darf grundsätzlich nicht verkauft und nur an Vereinsmitglieder weitergegeben werden.[13]
Während der legale Besitz von Konsumcannabis auf 50 Gramm pro Person beschränkt ist, dürfen Patient:innen (sofern sie die 50-Gramm-Grenze überschreiten) über eine dem Rezept entsprechende Menge Cannabis verfügen. Zudem dürfen sie im Straßenverkehr, beim Führen von Kraftfahrzeugen, den normalerweise geltenden Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum überschreiten, solange sie ihre Fahrtüchtigkeit eigenverantwortlich gewährleisten können.[14]
Cannabis ist nicht gleich Cannabis
Es besteht eine große Vielfalt unterschiedlicher Cannabissorten. Je nach Sorte variiert das Verhältnis der enthaltenen Cannabinoide, insbesondere von THC und CBD.
Zusätzlich spielen weitere Pflanzenstoffe wie Terpene eine Rolle, die das Wirkungsprofil einer Sorte zusätzlich beeinflussen können.
Daraus ergeben sich Unterschiede in:
Wirkung
Verträglichkeit
Anwendungsbereich
Die Auswahl einer geeigneten Sorte ist daher ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Die Entscheidung erfolgt stets in Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt – orientiert an den individuellen Bedürfnissen und Erfahrungen der Patient:innen.
Spezialisierte Ärztinnen und Ärzte finden
Eine erfolgreiche Cannabistherapie beruht auf fachkundiger und individueller Betreuung. Die Ärztinnen und Ärzte, die mit nowomed kooperieren, bringen umfangreiche Erfahrung in der Verordnung und Anwendung von medizinischem Cannabis mit. Ob per Videosprechstunde oder vor Ort – die Beratung richtet sich nach Ihren persönlichen Anliegen. Nach der kostenfreien Anmeldung bei nowomed und dem Ausfüllen des Anamnesebogens prüft das medizinische Fachpersonal Ihre Eignung für ein ausführliches Erstgespräch, in dem alle medizinischen Fragen geklärt werden. Sollte eine Cannabistherapie nach ärztlicher Auffassung für Sie in Frage kommen, wird Ihnen das erforderliche Rezept im Anschluss ausgestellt.
Fazit – Medizinisches Cannabis
Unter der Voraussetzung einer sorgfältigen Anwendung und erfahrener, ärztlicher Begleitung kann medizinisches Cannabis für viele Patient:innen eine therapeutische Alternative sein. Bei ordnungsgemäßer Einnahme gelten Cannabisblüten als gut verträglich, vergleichsweise risikoarm und sind durch verlässliche (Versand-)Apotheken überall in Deutschland auf Rezept verfügbar. Medizinisch empfohlene Dosierungen und Darreichungsformen, wie das Inhalieren der Wirkstoffe mittels Vaporisator, räumen mit einschlägigen Mythen und Klischees auf, vermeiden die Gefahren des Rauchens und ermöglichen erwachsenen Patient:innen in regelmäßiger Kommunikation mit ihren betreuenden Ärzt:innen einen schonenden Therapieverlauf.
Häufig gestellte Fragen
Wie süchtig macht Cannabis?
Cannabis birgt (bei regelmäßiger Einnahme) ein geringes Abhängigkeitsrisiko von 2 bis 9 Prozent. Allerdings fallen etwaige Entzugserscheinungen vergleichsweise mild aus und klingen nach maximal 14 Tagen ab. [11]
In welchem Alter ist es sicher, medizinisches Cannabis einzunehmen?
Das menschliche Gehirn ist mit ungefähr 25 Jahren voll ausgereift. Da Cannabis die Hirnentwicklung beeinflussen kann, markiert dies zugleich den Zeitpunkt, ab dem medizinisches Cannabis (unter ärztlicher Aufsicht) sicher verwendet werden kann. [12]
Wer darf medizinisches Cannabis kaufen?
Um medizinisches Cannabis kaufen zu dürfen, ist ein herkömmliches Arzneimittelrezept ausreichend. Jeder Arzt beziehungsweise jede Ärztin darf ein
Cannabisrezept ausstellen, wenn dadurch eine Linderung der Beschwerden zu erwarten ist.
- Lizermann, LL. (2012). Der Cannabis-Anbau: Alles über Botanik, Anbau, Vermehrung, Weiterverarbeitung und medizinische Anwendung sowie THC-Messverfahren. Solothurn: Nachtschatten Verlag.
- Kastenbutt, B. (2006). Hanf: Geschichte und Gegenwart einer (Welt-)Kulturpflanze. Kulturdrogen – Drogenkulturen. Band 10. S. 75–94.
- Mouslech, Z., Valla, V. (2009). Endocannabinoid system: An overview of its potential in current medical practice. PubMed, 30(2), 153-179.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19675519/#
- Carley DW. et al (2002). Functional role for cannabinoids in respiratory stability during sleep. Sleep, 25(4), 391-398.
https://doi.org/10.1093/sleep/25.4.388
- Müller-Vahl, K. & Grotenhermen, F. (2017). Medizinisches Cannabis. Die wichtigsten Änderungen. Deutsches Ärzteblatt, 114(8), 352-356.
https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=186476
- Cox-Georgian, D., Ramadoss, N., Dona, C., & Basu, C. (2019). Therapeutic and Medicinal Uses of Terpenes. Medicinal Plants: From Farm to Pharmacy, 333–359.
https://doi.org/10.1007/978-3-030-31269-5_15
- Bautista, J. L. et al. (2021). Flavonoids in Cannabis sativa: Biosynthesis, Bioactivities, and Biotechnology. ACS Omega, 6(8), 5119-5123.
https://doi.org/10.1021/acsomega.1c00318
- Russo, EB. (2019). The Case for the Entourage Effect and Conventional Breeding of Clinical Cannabis: No Strain, No Gain. Front. Plant Sci, 9(1969).
https://doi.org/10.3389/fpls.2018.01969
- Gieringer, D, St. Laurent, J. & Goodrich, S. (2004). Cannabis Vaporizer Combines Efficient Delivery of THC with Effective Suppression of Pyrolytic Compounds. Journal of Cannabis Therapeutics, 4(1), 7-27.
https://doi.org/10.1300/J175v04n01_02
- Pritchett, C. et al. (2022). Medical Cannabis Patients Report Improvements in Health Functioning and Reductions in Opiate Use. Substance Use & Misuse, 57(13), 1883-1892.
https://doi.org/10.1080/10826084.2022.2107673
- Barmer (2025). Cannabis – wie man abhängig wird und wie der Entzug funktioniert.
https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/medizin/cannabis/abhaengigkeit-entzug-1132250
- Gaida, L. (2024). Hirnforscher: Wieso Cannabis erst ab 25 Jahren legal sein sollte. Utopia.
https://utopia.de/news/hirnforscher-wieso-cannabis-erst-ab-25-jahren-legal-sein-sollte_644521/
- Deutscher Bundestag (2024). Nach langem Ringen: Bundestag verabschiedet Cannabis-Legalisierung.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw08-de-cannabis-990684
- Schumann, I. (2024). Kann man mit Cannabis-Rezept Auto fahren? Was ändert die Legalisierung? Anwalt.de
https://www.anwalt.de/rechtstipps/kann-man-mit-cannabis-rezept-auto-fahren-was-aendert-die-legalisierung-227176.html